Mit der Ausstellung “Interferenz Bubbles” präsentiert die Galerie Wolfgang Jahn in München eine Premiere im künstlerischen Schaffen von Jiří Georg Dokoupil. Neben einer kuratierten Auswahl seiner berühmten Ruß- und Seifenblasenbildern zeigt der Künstler dort erstmalig in der Öffentlichkeit eine gänzlich neue Serie plastischer Seifenblasenarbeiten. Dabei handelt es sich um raumgreifende Gebilde aus gläsernen Oval- und Rundformen, die rund um ein Gestänge angeordnet sind.
Jiří Georg Dokoupil ist Maler, ohne im klassischen Sinne zu malen. Vielmehr ist er ein Künstler, der „out of the box“ denkt, das Gängige und Etablierte hinterfragt und mit neuen Ausdrucksformen experimentiert, solange bis er sie in Perfektion beherrscht. Anstatt sich Pinsel und Spachtel zu bedienen, verwendet er seit Mitte der 1980er Jahre brennende Kerzen oder mit Pigmenten versetzte Seifenlaugen, die er als Seifenblasen über dem Bildträger zerplatzen lässt, als die Methode seiner Wahl für den Farbauftrag. So speist sich in seiner berühmt gewordenen Serie der Seifenblasen-Bilder das Motiv aus der Technik. Die farbig getränkte Seifenblase als ein luftig leichtes, transparent schillerndes Gebilde zerplatzt auf dem Bild unter der Anleitung des Künstlers und formt sich somit selbst ab. Das Fragile und Ephemere verewigt sich im Moment der Zerstörung dauerhaft im Bild. Dabei wird gänzlich auf die Mimesis, also den bildnerischen Akt der Nachahmung von Natur, der die Malerei in ihrem Wesen kennzeichnet, verzichtet.
Dokoupils Seifenblasenbilder sind zumeist farbenfroh schillernde Werke. Sie entstehen aus einer Vielzahl von schwebenden, rund und oval geformten Objekten, die sich in einer All Over-Komposition im Bild gegenseitig durchdringen und überlagern. Die schimmernden Blasen sind gekennzeichnet durch ihre charakteristischen Farbschlieren, die ein marmoriertes Farbenspiel von faszinierender Schönheit ausbilden. Auch der Titel der Ausstellung bezieht sich auf diese typischen Interferenzfarben, die entstehen, wenn das weiße Licht sich an der dünnen Oberfläche der Blase bricht und sein Farbspektrum entfaltet.
Durch das Drunter und Drüber der Komposition und die unterschiedlichen Ausprägungen und Ausrichtungen der aus sich selbst heraus leuchtenden, organisch wirkenden Formen, entsteht eine Dynamik im Bild, die zuweilen an das unruhige Wellenspiel einer bewegten Wasseroberfläche erinnert. Dokoupils Seifenblasen scheinen regelrecht wie Sauerstoffbläschen zu pulsieren und zu vibrieren, ja zu atmen. Oft gewinnt man den Eindruck, sie würden sich zusammenziehen und ausdehnen. Dergestalt assoziiert man mit ihnen bewegte, ja lebendige sich verändernde Formen, die man instinktiv auch mit Zellen, Amöben oder Blutkörperchen in Verbindung bringen könnte.
Neben einigen eher quirligen Kompositionen wirken andere Bilder der Serie beruhigend und kontemplativ, wie etwa jene, wo vor dunklem Hintergrund vereinzelte Blasen aufscheinen und aufsteigen. Fast meint man dann, wie vor einem Aquarium zu stehen, dass einem einen faszinierenden Einblick in die Unterwasserwelt mit ihren quallenartigen Geschöpfen gewährt.
In seiner allerneuesten Werkserie überträgt Dokoupil die Seifenblasen vom zweidimensionalen Bildraum wieder zurück in die Dreidimensionalität. Für ihr fragiles und flüchtiges Erscheinungsbild wählt der Künstler mit dem Werkstoff Glas ein nicht minder zerbrechliches wie transparentes Material. Angeordnet auf einem Metallgerüst, das wie ein bewusstes Zitat von Marchel Duchamps berühmtem Readymade des Flaschentrockners wirkt, bilden kunstvoll geformte, schillernd reflektierende Glaskörper ein Arrangement, das wie ein abstrakter Blumenstrauß anmutet. Vergleichbar echten Seifenblasen sind die Objekte nicht immer einheitlich rund, sondern hie und da auch lang gestreckt, leicht deformiert, und weisen durch Druckstellen, Hohlräume und Einkerbungen eine individuelle Formensprache auf. Durch die räumliche Anordnung ergibt sich ein interessantes Farbenspiel aus einem Davor und Dahinter, ähnlich wie bei den sich einander überlagernden Seifenblasen im Bild.
Interessant innerhalb dieser neuen Serie ist eine formal leicht abweichende Arbeit, bei der Dokoupil seine mundgeblasenen Glasobjekte in einem Plexiglaskubus präsentiert, der mit etwas Wasser angefüllt ist. Dieses Werk bildet eine Hommage an seinen Lehrer Hans Haacke, der Mitte der 1960er die Arbeit “Condensation Cube“ (Sammlung MACBA, Barcelona) schuf. Hierbei handelt es sich um einen am unteren Rand mit Wasser befüllten Plexiglaswürfel, der in Form eines Kunstwerks den Wasserkreislauf der Natur abbildet, indem er in Abhängigkeit von der Raumumgebung auf Licht, Luftströmungen und Temperatur reagiert. Dabei kondensiert das Wasser an den Scheiben und bildet so Luftbläschen als Formen aus, die ähnlich wie Seifenblasen fast immateriell wirken.
In seiner Serie der Rußbilder bilden Darstellungen von in der Wildbahn lebenden Leoparden das zentrale Motiv. Hier werden zuvor farbig grundierte Leinwände, auf die mittels Lichtprojektion das Sujet als Anhaltspunkt projiziert wird, vom Künstler über Kopf bearbeitet. Mit einer Kerze, die bei Berührung mit dem Bildträger zur rußen beginnt, setzt und imitiert Dokoupil das Fleckenmuster der anmutigen Tiere und bildet in gekonnter Beherrschung der Technik die Konturen und Hintergrundstrukturen aus. Dieser malerische Effekt ist frappierend. Aus den zumeist dunkel gehaltenen Hintergründen heben sich erst bei genauer Betrachtung die Raubkatzen hervor, was zuweilen wie ein unbehaglicher Überraschungseffekt wirkt, ganz so als würde man dem Raubtier unvermittelt gegenüberstehen. Durch die Dynamik der sich bewegenden Kerzenflamme, deren Feuer sinnbildhaft für das das Archaische und Ursprüngliche der Wildnis steht, entstehen naturbedingt nicht exakte Konturen und präzise Punkte, sondern vibrierende und flackernde Muster, die dem Gesamtbild einen flirrenden, bewegten Eindruck verleihen, wie man ihn aus der Fotografie von der Bewegungsunschärfe her kennt. Dokoupils Wildkatzenbilder sind keine fotografisch „eingefrorenen“ Momentaufnahmen. Vielmehr spiegeln sie auf der Leinwand die Kraft des Lebendigen und Veränderlichen wider, geradezu wie seine Seifenblasen ein beständiges Eigenleben auf dem statischen Bildträger zu führen scheinen.
Dr. Veit Ziegelmaier