In seiner dritten Ausstellung in der Galerie Wolfgang Jahn präsentiert Paul Schwer (*1951) neue malerische und skulpturale Arbeiten, in denen er seine seit den 1990er-Jahren entwickelte Bildsprache zwischen Malerei, Skulptur und Installation weiter entfaltet. Der Weg des Künstlers ist ungewöhnlich: Ursprünglich Arzt in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, wandte er sich Anfang der 1980er-Jahre der Kunst zu und studierte an der Kunstakademie Düsseldorf bei Erwin Heerich, dessen Meisterschüler er wurde.
Kunsthistorisch lässt sich Schwers Praxis als eine räumlich erweiterte Malerei beschreiben. Seit Mitte der 2000er-Jahre arbeitet er mit bemalten, bedruckten und erhitzten PET- und Plexiglas-Paneelen, die er in dynamische Volumen überführt. So entstehen transluzide, farb- und lichtaktive Bildkörper, die den Raum unmittelbar mit einbeziehen. In dieser Verbindung von Farbe, Material und Licht aktualisiert Schwer eine Linie der Farbraumerweiterung seit den 1960er-Jahren, jedoch mit einer genuin zeitgenössischen Materialästhetik.
Der Ausstellungstitel "How to talk with Penguins“ bündelt zwei Stränge seines Œuvres: die Untersuchung von Bildauflösung und die Arbeit mit ikonischen Motiven, die er in malerisch-skulpturalen Überlagerungen bis zur Unkenntlichkeit transformiert. Ausgangspunkt ist die Arbeit Antarctica (2024) für die STOA169 in Polling, in der Schwer das Motiv des Pinguins aufgreift. Die Figur lässt sich ambivalent lesen: einerseits als ikonisch „niedliches“ Tier, andererseits als Sinnbild einer fragilen, durch die Klimakrise bedrohten Ökologie. In Schwers Bearbeitung durchläuft der Pinguin einen Prozess der Rasterung, Schichtung und Verformung, in dem er seine konkrete Gestalt verliert und zu einer abstrahierten, „sprechenden“ Form wird – einer Form, die weniger erzählt als vielmehr die Wahrnehmung selbst adressiert.
Zentral in der Ausstellung sind neue, vertikal verschraubte Plexiglas-Skulpturen, deren farbige Schichtungen und Reflexionen barock anmutende Faltenwürfe evozieren. Die Plastiken changieren zwischen Leichtigkeit und Dramatik, zwischen serieller Setzung der Farbe und der Raumwirkung skulpturaler Körper. Neu hinzu kommen Kleinplastiken mit metallisch spiegelnden Oberflächen, die unmittelbar auf ihre Umgebung reagieren, sowie farbig bedruckte Varianten, deren leuchtende Schnittkanten den Übergang von Fläche in Raum betonen.
Eine weitere Werkgruppe vertieft die Auseinandersetzung mit digitaler Bildkultur. Ein Leuchtkasten und mehrere Leinwände zeigen verpixelte Figuren – etwa Jünglinge am Meer oder auch Pinguine –, deren Vorlagen aus dem Internet stammen und in serigrafische wie malerische Prozesse übertragen werden. Mit Siebdruck, Spray und Raster entwickelt Schwer eine Bildsprache, die das Motiv zugleich aufruft und verfremdet. Während in seinem Frühwerk die Figur noch klar erkennbar blieb, tritt im aktuellen Werk das Raster als sichtbare Spur der Reproduktion hinzu. Es verschiebt die Bildgegenstände ins Abstrakte und verweist auf Fragen der Bildauflösung und medialen Transformation. In dieser Verbindung von digitaler Recherche und analoger Bearbeitung entsteht eine malerische Kombination, die ebenso ästhetisch verführerisch wie kritisch gegenüber Bildkonsum und Wahrnehmungsgewohnheiten bleibt.
How to talk with Penguins zeigt Paul Schwer als konsequenten Erforscher des Bildkörpers im Zeitalter digitaler Transformation. Zwischen Netzbild und Handarbeit, Hitzeformung und Farbraum, Raster und Reflexion entstehen Arbeiten, die nicht illustrieren, sondern kommunizieren – über Licht, Material und Wahrnehmung. Die Ausstellung lädt dazu ein, in einen Dialog mit Schwers Werken zu treten und die Frage neu zu stellen: Wie „spricht“ ein Bild heute – und mit wem?
Text: Wilko Austermann
Fotocredit: Produktion Pitz