Am Mittwoch, den 28.2. eröffnet die Galerie Jahn eine Ausstellung mit Arbeiten der international anerkannten Künstler Till Freiwald, Andreas Lau und Harding Meyer. Die Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit Harding Meyer konzipiert und führt die Tradition, sich mit dem künstlerischen Thema des Realismus in der Malerei zu beschäftigen, fort.
Die gemalten Porträts der drei Künstler in dieser Ausstellung gehören einerseits in die Tradition der Porträtmalerei und haben andererseits starken Verweischarakter auf zeitgenössische konzeptuelle Kunstdiskurse. Bis ins 19. Jahrhundert waren Porträts fast ausschließlich Auftragsarbeiten, die in erster Linie der Machtdarstellung ihrer Auftraggeber dienten. Oftmals waren sie Ausdruck besonderen Wohlstands oder stellten außergewöhnliche Taten oder Wohltätigkeiten dar. Im 20. Jahrhundert nahm diese Tradition jedoch ab und die klassische Form des Porträts wurde zunächst durch das photographische Porträt auf Papier und anschließend nahezu vollständig durch die digitale Version im Internet bzw. in den Social Media Kanälen ersetzt. Während dem Porträt in der Vergangenheit ein repräsentatives oder funktionelles Narrativ zugeordnet wurde, bildet die heutige, digitale Form eine Vielzahl unterschiedlicher Daten ab, die neben persönlichen Informationen auch individuelle Gewohnheiten umfasst. Das digitale Selbstbildnis (auch Selfie genannt) ist an die Stelle des persönlichen Bildes getreten. Die dem Porträt zugeordneten Daten sind umfangreicher und bilden die Person nicht nur bildlich ab, sondern erfassen sie in ihren unterschiedlichsten Facetten. Bei einem gegenwärtig gemalten Porträt haben wir es somit nicht mehr mit einem in Auftrag gegebenen Kunstwerk, einem beabsichtigten Narrativ zu tun, sondern vielmehr mit einem umfangreichen digitalisierten Informationspaket, das der Erfasste nicht kontrollieren kann und das den so Erfassten administrierter macht. Ein digitalisiertes Foto ist zur Chiffre geworden hinter der sich eine ganze Persönlichkeit verbirgt.
Harding Meyer legt ein Porträt zunächst in einem traditionellen künstlerischen Malvorgang an. Durch die Art des Machens, die Größe und Virtuosität des Bildes entsteht jedoch beim Betrachten eine starke Bildirritation und Differenzerfahrung zur aktuellen digitalen Porträtbilderflut. Ziel ist nicht die perfekte Abbildhaftigkeit oder der perfekte Realismus, es sind vielmehr Personen die durch die flirrende Matrix der überlagerten, verschiedenen Informationen und Narrative auf den Betrachter blicken. Aufgeschlossen und zur Kommunikation bereit, aber seltsam gehemmt. Till Freiwalds Aquarellporträts führen die gängigen Vorstellungen von Aquarelltechnik schon anhand der schieren Größe des Sujets ad absurdum. Die absolute Abbildhaftigkeit und der besonders hohe Realismusgrad des Künstlers verblüffen, insbesondere dann wenn man sich die stoisch präzisen Lasur- technik vor Augen führt. Freiwald selbst schildert seine künstlerische Herangehensweise dialoghaft: „Das Arbeiten mit einem Modell kann wie der Blick in einen Spiegel sein; mein Blick auf das Modell ist in seinem Blick mit eingeschlossen.“ Andreas Lau arbeitet mit unterschiedlichen sequenziell aufgefassten Bildstrategien der Moderne. Er kultiviert in seinen Arbeiten virtuos sowohl die Technik des Pointillismus, als auch die der Op-Art. Er tut
dies jedoch nicht wie die Zeitgenossen der erwähnten Kunstrichtungen, sondern wendet dies mit dem Kompendium und Verständnishintergrund heutiger technischer Möglichkeiten an. Heutzutage kann man mit Basisprogrammen der Bildbearbeitung alle möglichen Effekte in kürzester Zeit erzeugen. Dass er trotz dieser Möglichkeiten die traditionelle, künstlerische Technik der Malerei verwendet, gibt erste Aufschlüsse über seine Ansprüche an Malerei und Kunst. Der Künstler hinterfragt das Porträt vor dem Hintergrund von medialem Rauschen, in dem die Porträts, ähnlich wie Harding Meyer es auffasst, hinter der Matrix zurückbleiben.
Wenn wir also über diese Ausstellung sprechen - so Wolf Guenter Thiel - und uns darüber klar werden, wie sich die Porträts dieser Ausstellung von den historischen Vorläufern unterscheiden, so sind es keine in Auftrag gegebenen Porträts, die Schönheit, gesellschaftliche Macht oder Ansehen als Narrativ versinnbildlichen sollen. Es sind vielmehr Bilder mit Forschungscharakter zum Menschenbild und zu dem was das Bild vom Menschen heute konstituiert. So sieht Harding Meyer das Bild hinter einer digitalen Matrix zurücktreten. Das Narrativ, was diesem digitalen Bild beigefügt ist, setzt sich aus allen möglichen gesammelten Daten zusammen, die ein überlagerndes Bild des Menschen erzeugen. Der Dargestellte ist nicht mehr Herr über seine Außendarstellung und Fremdwahrnehmung. Till Freiwald wiederum geht den Weg des ganzheitlichen Bildes des Menschen, das er sich selbst von einem Menschen macht und das er mit einer Exaktheit und Schärfe produziert, die für heutige Bilder unüblich sind. Der Schnelligkeit der Produktion von Bildern / Selfies ... wird mit dem sorgsamen, emphatischen und entschleunigten Bild klar widersprochen. Andreas Lau wiederum greift die Idee vom Bild als digitales Bild auf der Basis von Bits einerseits und von einer Informationsmatrix andererseits auf und versucht dieses gefühlte Rauschen wie mit einem künstlerischen Synthesizer zu stimmen. Das Rauschen wird als Sequenz aufgefasst und neu zusammengesetzt. Dadurch entsteht eine Abstraktion des Bildes und ein stimmiges, in sich kohärentes, neues Bild. Eine synthetische Abstraktion wenn man so will. Die Ausstellung vermittelt dem Betrachter eine Sicht auf das aktuelle Menschenbild und auf das Bild jedes einzelnen Menschen. Es ist faszinierend und erschreckend zugleich. Vorsicht im Umgang mit dem eigenen Bild und der Publikation des eigenen Bildes ist geboten. Ein Bewusstsein hierfür zu schaffen ist ein hochaktueller zeitgenössischer Diskurs von hoher Bedeutung für jeden Einzelnen.