Begleitend zur demnächst eröffnenden Ausstellung „TIKIMANIA“ von Bernd Zimmer im Museum Fünf Kontinente zeigt die Galerie Jahn Pfefferle eine repräsentative Auswahl von Werken des Künstlers aus den letzten 25 Jahren. Unter dem Titel „TERRANAUT“, der sich als eine bewusste Abgrenzung zum Begriff des „Astronauten“ verstehen lässt und damit die Erkundung des eigenen Planeten im Visier hat sowie sich assoziativ auf eine Heftroman-Serie um das Jahr 1980 bezieht, in der es darum ging, die Zerstörung der eigenen Welt zu verhindern, liegt der Fokus dieser Werkschau auf der malerischen Wiedergabe tief empfundener Natureindrücke und den damit verbundenen Weltreisen Bernd Zimmers, die zur Idee „STOA 169“ führten.
Die Wüstenregionen Libyens und Namibias, die Gesteinsformationen der Canyons in Arizona und die geheimnisvolle Welt der Südsee sind nur einige der Destinationen, die Zimmer, einer der Hauptvertreter der „Jungen Wilden“, im Laufe der vergangenen Jahre und Jahrzehnte intensiv bereist hat. Dabei ging es ihm darum, sich selbst neu zu entdecken, Horizonte zu erweitern und durch die Inspirationen und Impulse universaler Kulturerfahrungen und Lebensanschauungen als ein Mensch unter Menschen aufzugehen. Und dennoch kommt das Bild des Menschen in Zimmers Arbeiten so nicht vor. Vielmehr sind es komprimierte und bewahrte Sinneserfahrungen von Landschaften, Natur und kulturellen Zeugnissen, die sich erst nach seiner Rückkehr zu Bildern an der Grenze zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit verdichten.
Mit reduzierter Formensprache und intensiver, auf Kontraste setzender Farbigkeit entstehen mit gestischem Pinselduktus Bildwelten, die sich jeglichem dokumentarischen Charakter verweigern und stattdessen die Malerei in ihrem Eigenwert feiern: sinnliche Erfahrungsräume, die sich aus Eindrücken und Empfindungen zusammensetzen. Aus- und zugleich losgelöst vom vermeintlichen Ursprungsmotiv werden Zimmers Bilder zu ganzheitlichen, emotional aufgeladenen Schilderungen von Welterfahrung. Die ausdruckstarke Farbigkeit, die sich beispielsweise im Gelb und Rot seiner Südseebilder wiederfindet, ist nicht nur ein elementar gefilterter Ausdruck der dort herrschenden intensiven Lichtverhältnisse, sondern kann, laut Zimmer, auch einen assoziativen Hinweis auf die von Mitte der 1960er bis 1990er Jahre durchgeführten Atomwaffentests der Franzosen in dieser Region liefern. So entsteht ein bildimmanenter Kontrast zwischen paradiesischer Schönheit und ihrer drohenden Zerstörung durch den Menschen. Die Wüstenbilder sind unbegrenzte Farbräume, die die Weite und Freiheit dieser vom Menschen noch wenig berührten, kargen Natur zum Ausdruck bringen. Ähnlich zeugt die frühmorgendliche Lichtstimmung eines über indischer Landschaft hereinbrechenden Tages von meditativer Ruhe, ehe die baldige menschliche Geschäftigkeit dort einkehren wird. Immer wieder sind es von Stille und Kontemplation geprägte Rückzugsorte, die Zimmer ins Visier nimmt. Berg- und Waldlandschaften, die die nicht selten raue und monumentale Schönheit der Natur in abstrahierter und elementarer Weise wiedergeben, ebenso wie seine geheimnisvoll anmutenden kosmischen Bildwelten. In den mit „Reflexion“ bezeichneten Arbeiten, in denen sich hochaufragende Bäume als malerisch frei aufgefasste dynamisch- vertikale Strukturen im Wasser spiegeln, werden Materie und deren Reflexion zu einer von Gelb- und Grüntönen bestimmten Farbkomposition, in der sich die Gegensätze von Sein und Schein in malerischer Einheit auflösen.
Bernd Zimmers nachhaltige Eindrücke einer Indienreise vor bald 30 Jahren, während der er hinduistische Tempelanlagen und deren Säulenhallen, reich ausgeschmückt mit Reliefs mythologischer Begebenheiten und Lust und Leid des Lebens besuchte, ließen in ihm ein über die Jahre gereiften und lang gehegten Wunsch entfachen: Die Idee „STOA 169“, ein Projekt, dessen Name sich auf die berühmte Philosophenschule der klassischen Antike sowie auf die gleichnamige Bezeichnung in der Architektur für eine von Säulen getragenen Halle bezieht, die bei Zimmer von über 100 aufragenden Elementen getragen werden soll. Auf einer naturbelassenen freien Fläche in Polling an der Ammer, dem Wohnort von Bernd Zimmer, wird ab Frühjahr 2020 in zwei Bauabschnitten eine Halle für die Kunst und globale Völkerverständigung entstehen, frei von jeglicher Ideologie. Ausgewählte Künstlerinnen und Künstler aus allen Teilen und Regionen der Erde haben hierzu individuell gestaltete Säulen entworfen, die das Dach der Halle, in der Vorstellung eines überspannenden Himmels, gemeinsam tragen und einen Ort der Muse und Inspiration inmitten der Natur schaffen. Zimmers Projekt, bei dem internationale Künstlerinnen und Künstler von Weltrang mit neuen Positionen in einen Dialog treten werden, ist ein grenzüberschreitender und gewichtiger Appell an die Weltgemeinschaft, die Lasten und Herausforderungen des Lebens jenseits kultureller Unterschiede buchstäblich gemeinsam zu schultern und füreinander einzustehen.
Dr. Veit Ziegelmaier