Du bist zu high, ich bin zu down - Carsten Fock

12.06.2024 - 26.07.2024
Galerie Wolfgang Jahn | Landshut

Bilder der Ausstellung


Beschreibung

„Ich bin müde“ heißt der Song von Rio Reiser, dem der Titel von Carsten Focks aktueller Ausstellung entliehen ist. Obwohl aus einer anderen Zeit, beschreibt er treffend ein Grundgefühl der unseren: die große Erschöpfung. Als Reaktion auf die aktuellen Themen breitet sie sich aus. Eben noch mit den Nachwirkungen der Pandemie beschäftigt, sehen wir uns schon mit neuen Krisen konfrontiert: Klimakatastrophe, Vereinzelung, gesellschaftliche Spaltung, Rechtsruck. Konflikte wachsen sich zu Kriegen aus, haben Europa längst erreicht. Themen wie Steine auf der Brust. Wir sind der Katastrophen müde und damit en vogue. Wer jetzt nicht erschöpft ist, dem ist eh alles egal. Oder hat er nur noch nicht genug geleistet? Verzerrte Realitäten predigen Selbstoptimierung zum Beat des Höher-Schneller-Weiter. Das High der anderen lässt die eigene Erschöpfung umso tiefer scheinen. 

Carsten Fock ist viel unterwegs in diesen Tagen. Für einige Wochen kehrt er zurück in das dänische Vejby. Hier am Kattegat gehen der Rhythmus des Meeres, Steilküste, Licht und Horizont in kraftvolle Kreidezeichnungen ein. Nachtlandschaften, in denen sich Dunkelheit und Dämmerung begegnen. Wenig später, auf einem Einsiedlerhof in der Nähe von Düsseldorf, ist Fock umgeben von flachem Land. Wenig lenkt ab vom Himmel, den gewaltigen Wolkenformationen, die ihn zu großformatiger Malerei inspirieren. Die Farbigkeit dieser Arbeiten lässt an die Bildhintergründe von Lucas Cranach oder Albrecht Dürer denken. Anfang des Jahres verbringt Fock einen Monat in Katmandu und unternimmt eine mehrtägige Hochgebirgstour durch den Langtang-Nationalpark. Hier oben eröffnet sich ihm ein neuer Blick auf eine fremde Kultur, Landschaft und Welt. Berge, immer wieder Berge – auch in Wien und Salzburg. 

Zurück in Bamberg erwartet Fock statt der beobachtenden Distanz des Reisenden die unmittelbare Erfahrung einer Gesellschaft, der er sich nicht entziehen kann. Die Bilder, die hier entstehen, lassen noch immer Landschaften erkennen, jedoch ohne jede Romantik. Fock illustriert kein Wohlgefühl. Er nimmt den Betrachter mit in die Unausweichlichkeit der Gegenwart, mitten hinein in die Unsicherheit unserer Zeit. Die Farbverläufe sind klar gesetzt und strahlen eine beinahe heitere Ruhelosigkeit aus, die stets von etwas Gewittrigem überschattet bleibt. Unheilschwanger schwebt es über diesen Arbeiten, mehr spür- als tatsächlich greifbar. 

Sucht Fock bislang direkten Kontakt zum Material, bearbeitet Farbe, Leinwand und Papier mit Händen, verlangt die Unmittelbarkeit nach Distanz. Mit Lackstift wirft er erste Schichten auf die Leinwand, schnelle, schwarze Zeichnungen, die an frühere Arbeiten erinnern und die er später mit dem Pinsel übermalt. Zwölf neue, kleinformatige Gemälde sind in der Ausstellung zu sehen, deren leuchtend explosive Farbräume in ihrer Tiefe ähnlich anziehend wirken wie die großformatigen Malereien. Sie laden den Betrachter ein, sich ganz hineinzubegeben: in Weite, Licht und neue Hoffnung.

 

Eva-Maria Braun