Mit der Ausstellung „REFLEX“ zeigt die Galerie Wolfgang Jahn in Landshut ausgewählte Arbeiten aus dem druckgrafischen Werk von Bernd Zimmer (*1948 in Planegg), das seit über 30 Jahren einen wesentlichen Bestandteil seines künstlerischen Schaffens ausmacht und in eigenen Werkverzeichnissen dokumentiert ist. Dabei liegt der Fokus auf Holzschnitten und Lithografien, die innerhalb der Ausstellung um eine pointierte Auswahl von Gemälden exemplarisch ergänzt werden, um ein stimmiges Gesamtbild einzelner Werkserien in ihrer unterschiedlichen technischen Umsetzung zu ermöglichen.
Bernd Zimmer, dessen „Südsee“-Bilder gerade in einer Einzelausstellung im Museum der Fünf Kontinente in München zu sehen sind und dem ab Herbst eine Werkschau zu seiner Druckgrafik im Museum Morsbroich in Leverkusen gewidmet wird, gilt neben Rainer Fetting als einer der Hauptvertreter der „Neuen Wilden“, die ab Ende der 1970er Jahre mit ihrer „heftigen“, auf starke Farbkontraste setzenden figurativen Malerei für Furore sorgten.
Innerhalb seines Oeuvres stellt das druckgrafische Werk für Bernd Zimmer weit mehr als ein probates künstlerisches Mittel dar, um limitierte Editionen seiner Bildfindungen umzusetzen. Dies wird insbesondere in etlichen seiner als Unikate gefertigten Holzschnitten und Lithografien deutlich, die als singuläre Originale dem Prinzip der Reproduktion bewusst zuwiderlaufen. Ebenso wählt er zuweilen für diese Technik ungewöhnlich monumentale Formate aus, wie man sie dergestalt nur etwa bei Franz Gertsch und Anselm Kiefer noch findet.
„Flucht II“, ein Unikat mit den beeindruckenden Maßen von 190 x 360 cm, ist ein monumentaler Holzschnitt, der vor nachtschwarzem Hintergrund zwei in gespenstisches Licht getauchte knorrige Bäume zeigt und nicht zuletzt durch die Kontextualisierung des Titels eine unheilvolle Szenerie, gespeist von Urängsten und gefühlter Bedrohung heraufbeschwört. Trotz des konkreten Motivs ist Zimmers Bildsprache an der Schwelle zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit angesiedelt. Die Konturen und Schraffuren der Bäume wie auch der angedeuteten märchenhaften Landschaft sind zugleich ein freies Spiel sich entfaltender, raumgreifender Linien, die mit ihren zackenhaften, an Kratzer und Schnitte gemahnenden spannungsgeladenen Strukturen zum gestisch-metaphorischen Ausdrucksträger einer Situation des Unbehagens werden.
Das Motiv kahler, aufragender Bäume, begegnet einem auch in Zimmers Malerei und Lithografien, wobei das Dickicht der Bäume samt ihrer Verästelung hier fast wie tuscheartige Verlaufspuren wirken, die nicht nur be-„zeichnen“, sondern gleichermaßen ein abstraktes ästhetisches Eigenleben aus Form und Struktur entwickeln. In kräftige Gelb-, Rot- und Grüntöne getaucht, vermitteln diese sich im Wasser spiegelnden Landschaften einen schaurig-schönen Charakter, der zwischen dem Pathos einer abendlichen Lichtstimmung und dystopischer Endzeitimpression changiert.
Andere Werke zeigen in einem fast schon explosionsartig auseinanderdriftenden Farbenmeer aus Grüntönen das Dickicht eines sich von unserer Lebenswelt hermetisch abgrenzenden Urwaldes. In lichtdurchflutetem Farbrausch und entfesselter Form wird hier die ungezügelte Triebkraft der Natur eindrucksvoll zum Ausdruck gebracht.
Die Wasserspiegelungen der Serie „Im Fluss“ und „Schwimmendes Licht“ halten in oftmals monochromer Farbigkeit das flirrende und Konturen verzerrende Spiel ephemerer Lichtreflexe auf einer von Wellen bewegten Oberfläche in der spürbaren Dynamik kreiselnder und Schlieren bildender amorpher Formen auf dem statischen Bildträger fest.
Die druckgrafischen Arbeiten aus der Werkserie der „Tiki“-Bilder, die nach einem Aufenthalt Bernd Zimmers in der Südsee entstanden, zeigen nochmals einen anderen Aspekt in Zimmers Schaffen, da das Menschenbild normalerweise in seinen Werken gänzlich ausgespart bleibt. Die anthropomorphen Kultfiguren stellen Ahnen oder Götter in Gestalt von blockhaften Körpern mit schematischen wiedergegebenen Köpfen und ornamentalen Verzierungen dar. Sie können als Archetypen menschlicher Repräsentation verstanden werden, die in der Unmittelbarkeit ihrer Erscheinung nicht den Umweg über den Realismus nehmen. Bei Zimmer treten sie in der expressiven Ursprünglichkeit komplementärer Farbigkeit in Erscheinung, wobei die übersteigerte Farbkraft dieser Arbeiten auch als ein „Reflex“ auf die intensiven Lichtverhältnisse in Polynesien verstanden werden kann.
Zimmers Hinwendung zum druckgrafischen Werk mit seinen variantenreichen technischen Verfahren (Holzschnitt – Hochdruck / Lithografie – Flachdruck) ist für seinen künstlerischen Ausdruck insofern bemerkenswert, als dass vor allem im Holzschnitt, mit seinem spröden und schwer zu bearbeitenden Material – das anders als die Übermalung in der Malerei keinen Fehler verzeiht –, die vermeintliche Leichtigkeit einer spontanen Geste, wie sie in einem hiebhaften Pinselstrich zum Ausdruck kommt, kaum mehr möglich ist. Zur Erzeugung einer ähnlichen ästhetischen Wirkung bedarf es daher anderer gestalterischer Methoden und nicht zuletzt großer Kraftanstrengung.
Dr. Veit Ziegelmaier